Das Thema Videoüberwachung in Mannheim bleibt ein medialer Aufreger. Ausgangspunkt ist die Initiative in der Quadrate-Stadt, die die Installation besonders fortschrittlicher Kameratechnik zum Inhalt hatte. Anders, als bei einer herkömmlichen Videoüberwachung wird in Mannheim nicht einfach von Ermittlern überwacht, sondern eine Software zwischengeschaltet. Das hat den Vorteil, dass potenziell verdächtige Bewegungsmuster gleich im Vorfeld erkannt werden, um gezielter reagieren zu können. Beispiele hierfür sind das Hinfallen einer Person, das schnelle Wegrennen oder auch das Bilden von Gruppen.
Für den Fall, dass seitens der Videoüberwachung in Mannheim eine möglicherweise problematishe Konstellation registriert wird, ergeht ein Alarm und die Polizeibeamten im Lagezentrum prüfen die Situation. So soll ein schnelles Eingreifen möglich gemacht werden.
Eine Besonderheit des Mannheimer Systems besteht darin, dass dieses hinzulernt. „Zur Erlangung der praktischen Einsatzreife“, wie es die Polizei formuliert, soll vor allem verhindert werden, dass die Software immer wieder falschen Alarm auslöst oder bestimmte Delikte nicht erkennt. Noch nicht geplant ist hingegen die Gesichtererkennung, wenngleich dies einen wichtigen Schritt in Richtung mehr Sicherheit in der Innenstadt von Mannheim bedeuten würde.
Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg hat durch die Änderung des Landespolizeigesetzes schon jetzt weitreichende Befugnisse geschaffen. Hintergrund waren auch die positiven Erfahrungen aus einer bereits im Jahr 2001 installierten Videoüberwachung in Mannheim. 2007 war es gelungen, die Zahl der Straftaten zu reduzieren, weshalb die Kameras wieder verschwanden. Da die Kriminalität seither erneut auf dem Vormarsch ist, muss wieder mit Videoüberwachung gearbeitet werden.
Das Pilotprojekt für intelligente Videoüberwachung startete Anfang 2018 sowohl am Bahnhofsvorplatz als auch am Alten Messplatz, in der Breiten Straße und am Plankenkopf. An 28 Standorten kommen 71 Kameras zum Einsatz. Kritiker bemängeln, dass die intelligente Kameratechnik noch nicht funktioniert und auf diese Weise – gleichsam durch die Hintertür – jede Menge konventioneller Videoüberwachung eingeführt wird. Andererseits ergeben Umfragen immer wieder, dass die Bürgerinnen und Bürger von Mannheim diese Form der Sicherheit befürworten.
Intelligente, algorithmenbasierte Videoüberwachung im öffentlichen Raum zur Bekämpfung von Straßenkriminalität, wie sie im Mannheimer Projekt eingesetzt wird, ist europaweit derzeit einzigartig. Auf lange Sicht soll der Computer agressive Verhaltensmuster erkennen und Polizeibeamte darauf hinweisen. Wenn erforderlich, können Kollegen zum Tatort geschickt werden – diese Entscheidung wird nicht vom Programm, sondern immer von Menschen getroffen. Die intelligente Technik ist im Hinblick auf Datenschutz-Bestimmungen optimal vorbereitet: Kommt es zu brenzligen Situationen, können Bilder zunächst verpixelt werden. Scharf sieht man sie erst, wenn das System einen Menschen zur Einschätzung der Lage hinzuholt.
Mannheim nimmt als erster Testpartner des Fraunhofer-Instituts eine Vorreiterrolle ein. Erst die Änderung des baden-württembergischen Polizeigesetzes Ende 2017 machte den Einsatz der Technik möglich. Seit 2018 sind an Orten mit erhöhter Straßenkriminalität Kameras installiert, die über ein eigenes, abgeschottetes Glasfasernetz Bilder an das Mannheimer Polizeipräsidium übermitteln. Eine Verbindung zum Internet besteht an keiner Stelle.
Die Experimentalsoftware aus Forschungsprojekten des Fraunhofer IOSB wird sukzessive an den realen Polizeieinsatz angepasst. Die Algorithmen arbeiten mit Trainingsdaten, um später ähnliche Verhaltensmuster aus den Videoaufnahmen filtern zu können. Das Projekt in Mannheim soll über fünf Jahre laufen. Stadt und Land investieren 1,6 Millionen Euro auf; ein Drittel davon erhält das Fraunhofer IOSB.
Quelle: Südwest Presse